Man stelle sich einen Bäcker vor, der seit Jahren gute Brötchen und gutes Brot backt. Im vergangenen Monat beschwerten sich seine Kunden vermehrt über die dicke Zuckerglasur auf den Teilchen. Als Test produziert der Bäcker nun eine Charge Teilchen mit weniger Glasur und sowohl Kunden als auch die Kasse sind zufrieden. Das Feedback der Kunden führt in diesem Beispiel zu einer Reaktion des Anbieters.
Schauen wir uns das Bäcker-Beispiel anhand eines Webblogs an: Im Web ist ein Feedback in dieser Art und Weise eher unüblich: Nutzer kommen, Nutzer lesen, Nutzer gehen. Viele Interaktionen geschehen unbemerkt. So kann es passieren, dass man plötzlich weniger Kommentare unter seinen Blogposts zu verzeichnen hat und nicht genau weiß warum.
An diesem Punkt wird die Webanalyse wichtig: Aus den Daten der Nutzer lassen sich Probleme und Potenziale der Website feststellen.
Es ist unwahrscheinlich, innerhalb kurzer Zeit wegweisende Einblicke in die Köpfe der Nutzer zu erhalten und daraus Schlüsse zu ziehen. Einige grundlegende Methoden führen jedoch schnell zu wertvollen Ergebnissen. Folgende Aspekte sind uns wichtig:
Bevor analysiert werden kann, müssen die Grundlagen geschaffen werden. In diesem Fall ist die Grundlage die Einrichtung und Einbindung von Google Analytics. Wer Google nicht nutzen will, kann alternativ auch PIWIK einsetzen (http://piwik.org/).
Google Analytics einrichten und auf der Website installieren (in WordPress)
Selbst ohne Kontext über die Website, das Geschäftsmodell oder die Prioritäten des Anbieters sind folgende fünf Schritte ein Anfang um Handlungsempfehlungen auszusprechen.
Schritt #1: Der erste Eindruck aus Nutzersicht
Schritt #2: Wie gut ist die Akquisitionsstrategie? Wie kommen Nutzer auf die Website?
Schritt #3: Wie loyal sind die Nutzer der Website?
Schritt #4: Welche Seiten werden oft und schnell wieder verlassen?
Schritt #5: Welche Inhalte funktionieren am besten? Was lesen Nutzer am meisten?
Daten sind nicht alles. Der erste Eindruck der Website zählt. Vor jeder Analyse steht der Besuch der zu analysierenden Website. Wie sieht sie aus? Sind Elemente proportional zueinander? Ist das Design ansprechend? Weiß der Nutzer, wohin er klicken kann (und sollte)? Sind wichtige Dinge hervorgehoben? Ist die Website logisch aufgebaut?
Das Austesten aller Funktionen einer Website ist der erste Schritt um die Informationsstruktur einer Seite und die User Experience zu erfassen. Was daran ist schrecklich? Was daran ist supergeil? Schreibe deine Gedanken zu den genanten Fragen auf. Um Daten zu analysieren, muss das übergeordnete Ziel der Website klar erkenntlich sein. Ein Blog kann zum Beispiel das Ziel haben, dass möglichst viele Blogposts gelesen werden, dass ein Whitepaper heruntergeladen wird, oder dass möglichst viele Nutzer kommentieren.
Ready for the data!
Der erste richtige Schritt in die Nutzerdaten der Website ist der Zugriffsbericht. Wo kommen die Nutzer der Website genau her? Als Zielwert ist hier ein ausgeglichenes Portfolio zwischen den verschiedenen Kanälen anzusetzen. Zugriffe über Suchmaschinen, direkte Einstiege, Links auf anderen Seiten, Kampagnen. Welcher dieser Kanäle ist stark ausgeprägt, welcher fehlt?
Aus Erfahrung sind folgende Zielwerte zu erreichen. Je nach Geschäftsmodell und Ziel der Website können diese Werte jedoch abweichen.
40% bis 50% Zugriffe durch Suchmaschinen. Falls die Anzahl an Zugriffen über Suchmaschinen deutlich höher ist, ist die Website den Änderungen der Suchmaschinenalgorithmen ausgesetzt. Priorisiert Google beispielsweise nun stark die mobile Ausgestaltung einer Website und die eigene Website ist dafür nicht ausgelegt, ist man in mobilen Suchergebnissen fast unsichtbar. Potenzielle Nutzer kommen gar nicht mehr auf die Website.
20% direkte Einstiege. Nutzer, welche die URL der Website sofort eintippen, werden als direkte Einstiege klassifiziert. Direkte Einstiege sind ein guter Indikator für erfolgreiche Offline-Kampagnen.
20% bis 30% Verweise von anderen Seiten. Suchmaschinen und Werbekampagnen sind nur zu einem gewissen Punkt zuverlässig. Eine gute Webstrategie zählt auf Traffic von anderen Seiten, die auf Produkte oder Blogposts verlinken und diese loben oder kritisieren. Dieser freie Traffic ist auf lange Zeit gesehen die günstigste und nachhaltigste Werbemethode.
10% Kampagnenzugriffe. Unter Kampagnenzugriffe fallen E‑Mail-Kampagnen, Display Advertising, Facebook Ads, Social-Media-Kampagnen, etc. Kampagnenzugriffe sind ein Indikator für die Online-Marketing-Tätigkeit des Website-Betreibers: Traffic von Kampagnen ist ein Zeichen einer diversifizierten Kundenakquisitionsstrategie.
Mit dem Wissen um die Quellen der Besucher und um die Ziele der Website kann man sich nun die Besucher genauer anschauen. Wir wollen nun herausfinden, inwiefern eine Bindung des Nutzers an die Website besteht und wie intensiv diese ist. Das Ziel ist eine möglichst hohe Loyalität der Nutzer: Wie oft besucht ein Nutzer in einer gegebenen Zeitperiode die Website?
Nutzer, welche die Seite einmal besuchen, sind quasi die One-Night-Stands. Im angezeigten Beispiel sind dies 1269 Sitzungen mit insgesamt 2565 Seitenaufrufen und damit rund 68% aller Nutzer. Rund 12% aller Nutzer besuchen die Seite hingegen mehr als neun Mal im Monat, was einer treuen Nutzerschaft von 221 Personen entspricht.
Für viele Geschäftsmodelle und Blogs ist diese Loyalitätskennzahl eine der wichtigsten Messgrößen. Auch wenn diese niedrig erscheinen mag, so sollte bedacht werden, dass mit steigendem Traffic auch die Anzahl der Eintagsfliegen wächst. Die Loyalitätskennzahl sollte ebenfalls immer auf die Ziele der Website bezogen sein: Eine Nachrichtenseite z. B. wird eine extrem hohe Zahl von Nutzern mit einer Interaktion aufweisen (Lesen eines einzelnen Artikels auf Empfehlung).
Sinnvoll ist die Betrachtung der Nutzerzahl, welche die Website mehr als vier Mal im Monat geöffnet haben, über Zeit. So kann festgestellt werden, inwiefern sich der loyale Nutzerstamm über Zeit entwickelt.
Um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie lange sich die Nutzer auf der Website aufhalten und wie weit sie klicken, schauen wir uns die Seitentiefen und die Sitzungsdauer an. Die jeweiligen Durchschnittswerte dazu sind zur Interpretation nicht empfehlenswert.
Bouncing Visits (Bounces), also einzelne Seitenaufrufe, sind ebenfalls in der Kategorie “Sitzungen mit einer Dauer zwischen 0 und 10 Sekunden” aufgeführt, auch wenn der Nutzer sich länger auf der einen Seite aufgehalten hat. Daher ist diese Kategorie naturgemäß ziemlich groß.
Nachdem wir die Ziele der Website verstanden haben, die Quellen des Traffics identifiziert haben und uns unseren Nutzerstamm angeschaut haben, suchen wir jetzt nach Seiten auf der Website, die “nicht funktionieren”. Seiten auf denen die Bouncerate (Absprungsrate bei einem Besuch ohne einen einzigen Klick auf der Website) höher ist als im Durchschnitt.
Sortiert nach den Top Landing Pages, absteigend nach Anzahl der jeweiligen Seitenaufrufe pro Seite, sehen wir nun, dass drei Seiten im Vergleich sehr gut funktionieren (grüne Balken). Die Nutzer klicken von diesen Seiten aus auf weitere Links und interagieren mit der Seite. Insbesondere die Seite 8 hat im Beispiel eine sehr hohe Bouncerate für die wir zunächst keine Erklärung haben.
Wenn eine Unterseite eine hohe Bouncerate aufweist, kann das zwei verschiedene Gründe haben:
Um die Ursache ausfindig zu machen, sollte man die jeweiligen Unterseiten besuchen und auf Fehler in Konzeption und Funktion achten, sowie die Besucherquellen ausfindig machen und auf “falsche” Werbung überprüfen.
Um herauszufinden, welche Inhalte beispielsweise besonders ansprechend sind für Nutzer, schauen wir uns das Verhalten der Nutzer bezogen auf den Websitecontent an. Absteigend sortiert nach Seitenaufrufen sehen wir die Unterseiten mit den meisten Klicks. Sollte eine Unterseite dort eine besonders gute Performance haben, so kann sie als Vorlage für weitere Seiten dienen.
And now it’s your turn.
Die 5 dargestellten Schritte sind ein erster Anfang in die Welt der Daten. Für eine ausführliche Webanalyse sollte immer ein klar definiertes Modell aufgestellt werden in dem Ziele und KPIs im Vorfeld festgehalten werden.
Euer Benjamin
– für das OMG-Team
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